Das Dorf der Freundschaft ist ein internationales Versöhnungsprojekt. Es wurde durch den ehemaligen US-Soldaten George Mizo initiiert. Es bietet Menschen, die unter den Spätfolgen des Vietnamkrieges leiden – geistig und körperlich behinderten Kindern und Jugendlichen sowie Älteren – Hilfe und Unterstützung.

“The wounds of war take a long time to heal”

“DER FRIEDEN IST DER ERNSTFALL!”
(Bundespräsident Gustav Heinemann, 1969)

30.5.2014

Herr Bundespräsident Joachim Gauck,
Herr Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier und
Frau Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen

Sehr geehrter Herr Bundespräsident,
sehr geehrter Herr Minister Steinmeier,
sehr geehrte Frau Ministerin von der Leyen,

seit Ihren Äußerungen und Überlegungen auf und nach der Münchner Sicherheitskonferenz zur zukünftigen Rolle Deutschlands und seiner Sicherheitspolitik ist einige Zeit vergangen. Organisationen unterschiedlichster Art, Größe und Couleur haben mit Äußerungen und Stellungnahmen darauf reagiert. Als mit Menschen aus sieben Ländern auf drei Kontinenten verknüpfter Verein für das “Dorf der Freundschaft in Vietnam”, der sich gemäß seiner Satzung zu Frieden und Versöhnung für die Opfer der Kriege des 20. Jahrhunderts in Vietnam ausnahmslos ehrenamtlich engagiert (1), möchten wir unter den aktuellen Eindrücken unseres internationalen Zusammentreffens in Hanoi auch unsere Einschätzung bzgl. der Überlegungen einer zukünftigen deutschen Sicherheitspolitik Ausdruck verleihen.

Neben den 45 Jahren, die seit der o. g. Aussage des damaligen Bundespräsidenten vergingen, sind es 100 Jahre, seitdem Europas politische Eliten den 1. Weltkrieg zu verantworten haben, 110 Jahre, nachdem Berta von Suttner als erste Frau den Friedensnobelpreis erhielt und sie vor 125 Jahren ausrief: “Die Waffen nieder!”. Der durch Deutschland zu verantwortende 2. Weltkrieg liegt 75 Jahre zurück, die beiden Indochinakriege begannen vor 68 bzw. 50 Jahren - und über 20 Jahre ist es her, seit in Vietnams Nachbarland Kambodscha im Oktober 1993 der erste von über hundert Bundeswehrsoldaten ums Leben kam. Es ist nach unserer Auffassung längst an der Zeit, diesen Worten auch entsprechende Taten folgen zu lassen.

Jüngst in Vietnam erneut zusammengetragene Befunde zeigen, dass die Kriege Indochinas bis heute nicht vorbei sind, da Menschen noch gegenwärtig zu Opfern werden - vor allem Zivilist/innen in Form posttraumatischer Störungen und Nachgeborene der zweiten, dritten und mittlerweile auch vierten Generation, die mit schweren geistigen und körperlichen Einschränkungen als Folgen des Einsatzes von Agent Orange auf die Welt kommen. Angesichts dieser und der Opfer aller anderen Kriege, sind wir der festen Überzeugung, dass militärische Auseinandersetzungen kein Mittel zur Lösung von Konflikten sind.

Wir sind der Überzeugung, dass - an Stelle einer militärisch orientierten Sicherheitspolitik (2) - humanitäre Hilfen, Friedensförderung und Möglichkeiten zur zivilen Konflikttransformation im Kontext einer verantwortungsvollen Friedenslogik zielführend sind. Dazu müssen sie entsprechend ausgestattet sein.

Deutsche Verantwortung in Form ziviler Güter, medizinischem und zivilem personellen Know-how zu exportieren und damit Hilfe zur Selbsthilfe anzubieten, wäre in der Tat mehr als ein Impuls für eine aktive Gestaltung von Friedenspolitik: von deutschem Boden würde ein “Wandel durch internationale Annäherung und Zusammenwirken” ausgehen.

Dann, sehr geehrter Herr Bundespräsident, sehr geehrter Herr Steinmeier, sehr geehrte Frau von der Leyen, - gäbe es unseres Erachtens tatsächlich guten Grund

  • vom “besten Deutschland, das wir je hatten” (Joachim Gauck) zu sprechen
  • in Anspruch zu nehmen, dass “Gleichgültigkeit für ein Land wie Deutschland keine Option” (Ursula von der Leyen) ist
  • Deutschland zu bezeichnen als “zu groß, um Weltpolitik nur von der Außenlinie zu kommentieren” (Frank-Walter Steinmeier)!

Hiermit möchten wir unserer Überzeugung Ausdruck geben, dass es an der Zeit ist, auf allen gesellschaftlichen Ebenen gemeinsam mit Anderen darüber nachzudenken, die Spirale der Gewalt zu durchbrechen und eine systematische aktive Friedenspolitik entsprechend auszugestalten. Dabei müsste nach unserer Auffassung insbesondere die zivile Konfliktbearbeitung weiterentwickelt, ergänzt und somit gestärkt werden. Das Ziel eines wachsenden internationalen Verantwortungsbewusstseins Deutschlands muss ein in erster Linie friedenspolitisch ausgerichtetes sein.

Mit freundlichen Grüßen

Rosemarie Höhn–Mizo
1. Vorsitzende
Rainer Hub
2.Vorsitzender
Albrecht Ottmar
3.Vorsitzender
Brigitte Müller
Schatzmeisterin
Birgit Grau
Schriftführerin
Hanna Bladt
Beisitzerin
Almut Reiners
Beisitzerin

(1): Die 1. Vorsitzende und Präsidentin des Internationalen Komites wurde für ihr persönliches Engagement 2012 von Bundespräsident Joachim Gauck mit dem Bundesverdienstorden ausgezeichnet.

(2): Deutschland wies im Verteidigungshaushalt 2013 annähernd 50 Milliarden € aus. 2012 nahm es ca. 4,7 Milliarden (= EU - Anteil von knapp 13%) € im Zusammenhang mit Rüstungsexporten (zuzüglich ca. 1 Mill. für Kriegswaffen) ein und liegt damit weltweit auf Rang drei.

 

(Der offene Brief kann hier als PDF herunter geladen werden.)