Das Dorf der Freundschaft ist ein internationales Versöhnungsprojekt. Es wurde durch den ehemaligen US-Soldaten George Mizo initiiert. Es bietet Menschen, die unter den Spätfolgen des Vietnamkrieges leiden – geistig und körperlich behinderten Kindern und Jugendlichen sowie Älteren – Hilfe und Unterstützung.

Ein Traum und ein Reisfeld

Das von einem Ex-US-Soldat gegründete international e Versöhnungsprojekt “Dorf der Freundschaft” in Vietnam besteht seit 10 Jahren

Von Rainer Hub

Der Traum einer Einrichtung für Menschen mit Erkrankungen und Behinderungen als Spätfolgen des Vietnamkrieges ist seit zehn Jahren Realität. Am 18. März feierten unter Teilnahme der vietnamesischen Vizepräsidentin Nguyen Thi Doan etwa 200 Personen am Rande der Millionenmetropole Hanoi im Rahmen des 12. International Meetings das zehnjährige Bestehen des “Dorfs der Freundschaft in Vietnam” (Über das die ZivilCourage bereits in der Ausgabe 5/2001 berichtete).

Entstanden ist diese Einrichtung auf einem ehemaligen und zunächst trocken zu legenden Reisfeld. “Es war ein langer Weg von da, wo wir nur einen Traum und ein Reisfeld hatten, bis dahin, wo wir heute sind”, sagte Rosemarie Höhn-Mizo, die Präsidentin des Internationalen Komitees, daher auch in ihrer Festrede.

Ein internationales Versöhnungs- und Verständigungsprojekt teils ehemaemaliger Kriegsteilnehmer und -gegner mit dem Anspruch, die Wunden und Spätfolgen des bomben- und biochemiewaffenreichsten Krieges des 20. Jahrhunderts zu heilen, zu lindern bzw. damit leben zu lernen. Auch in der dritten Nachkriegsgeneration werden 32 Jahre nach dem offiziellen Ende des Krieges immer noch – und nicht weniger werdend – Kinder mit Chromosomenveränderunngen, Missbildungen und Behinderungen körperlicher, emotionaler und geistiger Art geboren.


Die vietnamesische Vizepräsidentin Nguyen Thi Doan beim Jubiläum

Als Idee wurde das “Dorf der Freundschaft” von dem bis zu seinem Tod am 18. März 2002 seit den 1980-er Jahren in Deutschland lebenden Vietnamveteranen George Mizo auf den Weg gebracht. Als er 1988, 20 Jahre nach seinem eigenen, verletzungsbedingten unfreiwilligen Kriegsabzug unmittelbar vor der Tet-Offensive im Januar 1968, erstmals nach Vietnam zurückkehrte, wollte er – nach all dem dort angerichteten “Bullshit” – etwas Gutes und Sinnvolles tun. Es sollte mehr sein – und viel mehr werden – als ein Gedenkstein. Zehn Jahre dauerte es, bis von der Idee aus Überzeugungsarbeit, Bauplänen, Genehmigungen und Bebauung mit Partnern aus drei Kontinenten in USA, Frankreich, Japan ,Kanada und Vietnam am 18. März 1998 die Einweihung dieser bis heute einmaligen Einrichtung in Vietnam stattfand.

Damals begann das in traditionell vietnamesischer Bauweise entstandene “Dorfleben” mit etwa 30 darin lebenden Menschen. Heute sind es 160. 120 davon sind Kinder und Jugendliche, die dort auch behandelt, betreut, therapiert, operiert, unterrichtet und ausgebildet werden. Sie lernen sowohl traditionell vietnamesische Handwerkstätigkeiten wie Nähen, Sticken, Schneidern und das Erstellen von Papierblumen, aber auch den Umgang mit neuen Techniken inklusive PC-Nutzung und können somit trotz ihrer Erkrankungen und Behinderungen für ihren eigenen Lebensunterhalt (mit-)sorgen.

40 weitere Personen sind vietnamesische Kriegsveteranen, die neben Schuss- und Bombenverletzungen an den unheilbaren Spätfolgen durch den Einsatz von biochemischen Kampfstoffen leiden.

Das Bekannteste ist jenes mit dem hochgiftigen Stoff Dioxin. Gelagert und transportiert in Fässern, die mit einer orangefarbenen Banderole markiert waren: Agent Orange.

Hiervon hat das US-Militär über Vietnam zwischen 1961 und 1971 vier Millionen Liter versprüht, 336 Kilo Dioxin. “Gerichte in den USA haben kürzlich ehemaligen GIs, die Opfer dieser schrecklichen Kampfstoffe wurden, eine Entschädigung zugesprochen. Die Rechte der vietnamesischen Opfer haben sie bislang nicht anerkannt.” (Le Monde diplomatique, April 2008, 18)

Auch wenn für Europäer und Amerikaner Vietnam geographisch immer noch viele tausend Meilen weit entfernt ist, die (Reise-)Wege in der globalisierten Welt sind auch an das südchinesische Meer kürzer geworden. Anfang dieses 21. Jahrhunderts ist das südostasiatische Land auch zu einem boomenden Tourismusziel geworden. Dabei möchte es mit dem Slogan “Vietnam – mehr als nur ein Krieg” auf seine tausende Jahre zurückreichende Traditionen und Kultur hinweisen und in dieser Aufbruchstimmung aufmerksam darauf machen, dass es viel mehr als die beiden Indochinakriege in den 1950-er und 1960-er Jahren aufzuweisen hat.

Dies wird auch verstärkt durch die Tatsache, dass Vietnam eine sehr junge Bevölkerung hat. Die Mehrheit ist nach dem Kriegsende 1975 geboren und versucht, das eigene Leben zwischen einem nach wie vor politisch sozialistisch geprägten Staat und einem wirtschaftlich sich dem Kapital geöffneten Land umzusetzen. Ein geschichtlich beispielloser Spagat, der sich bereits nach wenigen Jahren an der Schwelle zwischen Einnahmensteigerungen und inflationären Preissteigerungen zeigt – das tägliche Durchschnittseinkommen liegt allerdings bei unter einem Euro.

Die Öffnung des Landes hat unter anderem dazu beigetragen, dass beispielsweise durch den deutschen Entwicklungsdienst (DED) vermittelte und finanzierte Fachkräfte zum Einsatz kommen.

Und auch Begriffe wie “differenzierte Diagnostik” und “individualisierte Therapiepläne” haben Einzug gehalten im “Dorf der Freundschaft”, und eine “ambulante Beratungsstelle zur Betreuung von Menschen mit Behinderungen” wurde eingerichtet, was einen der vietnamesischen Übersetzer zu der Einschätzung brachte: “Das Dorf der Freundschaft ist die mit Abstand beste Einrichtung dieser Art und beispielhaft für ganz Vietnam”.

Dies hat die vietnamesische Regierung dazu veranlasst, mittlerweile etwas mehr als die Hälfte der laufenden Kosten für das Dorf der Freundschaft zu tragen. Auch um den internationalen Versöhnungsgedanken weiter lebendig bleiben zu lassen, werden alle anderen Mittel auch weiterhin die internationalen Partner aufbringen. Ob dies gelungen ist, kann das 13. International Meeting bilanzieren, das im Herbst 2010 anlässlich der 1000-Jahr-Feier von Hanoi stattfinden wird. Um die langfristige Förderung des Dorfs der Freundschaft aus Deutschland zu gewährleisten, soll bis dahin eine Stiftung gegründet werden.

Die “Botschaft” von George Mizo lautete immer wieder “You can make a difference”. Danach lebte er und brachte zum Ausdruck, dass er in der Gestaltungskraft des Einzelnen den Unterschied sah, ob etwas geschieht und entsteht oder nicht. Diese Botschaft wird auch auf dem Weg der Stiftungsgründung und der Suche nach zahlreichen StifterInnen leitend sein. So wie George Mizo trotz zahlreicher Beschwernisse nie von seiner Idee des Dorfs der Freundschaft abließ, wird dann auch der Weg zu einer gleichnamigen Stiftung gelingen. Dass sein Todestag auf den 18 . März und damit dasselbe Datum wie die Gründung – und nun die 10-Jahr-Feier – des Dorfs der Freundschaft fällt, mag Zufall sein – oder Teil des Vermächtnisses über seinen Tod hinaus sein. Als Gründungsdatum einer “George-Mizo-Stiftung” bietet sich der 18. März 2009 (oder spätestens 2010) also geradezu an.

Rainer Hub engagiert sich seit Jahren ehrenamtlich für das “Dorf der Freundschaft”. Weitere Informationen, Kontaktadresse und Spendenkonto über das Projekt im Internet: www.dorfderfreundschaft.de

(Die Wiedergabe des Artikels erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Autors und des Verlages)