Das Dorf der Freundschaft ist ein internationales Versöhnungsprojekt. Es wurde durch den ehemaligen US-Soldaten George Mizo initiiert. Es bietet Menschen, die unter den Spätfolgen des Vietnamkrieges leiden – geistig und körperlich behinderten Kindern und Jugendlichen sowie Älteren – Hilfe und Unterstützung.

Rundbrief November 2002

Liebe Freundinnen und Freunde,

es war unsere erste Reise zum Dorf der Freundschaft ohne George. Es war schwer, ohne ihn dort zu sein und überall Erinnerungen an gemeinsam mit ihm Erlebtes zu haben. Es war tröstlich zu erleben, dass unsere vietnamesischen Freunde ihm wie für einen Familienangehörigen einen kleinen Altar in einem der Häuser im Dorf der Freundschaft eingerichtet haben. Es war schön zu spüren, wie Georges Lebenstraum mit dem Dorf der Freundschaft weiter wächst und gedeiht.

Altar fuer George Mizo

Das internationale Komitee für das Dorf der Freundschaft hat mich am Beginn unserer Konferenz zur Präsidentin des Komitees gewählt; ich werde mein Möglichstes tun, um diese Arbeit in Georges Sinn weiterzuführen – gemeinsam mit all den Menschen in den Unterstützergruppen der verschiedenen Länder. Ich hoffe darauf, dass ihr und Sie, die diesen Rundbrief in den Händen halten, unsere Arbeit für das Dorf der Freundschaft auch weiterhin unterstützen. In einem seiner letzten Interviews sagte George: „Wenn ich das Lachen der Kinder im Dorf der Freundschaft höre, ist es wie Musik in meinen Ohren.” Ich wünsche Ihnen, dass Sie etwas von dieser Musik durch diesen Rundbrief spüren.

Danke für alle Unterstützung.

Rosemarie Höhn-Mizo

 


 

Neues aus dem Dorf

Planungen für die Zukunft

Eine ereignisreiche Woche in Vietnam liegt hinter uns: gemeinsam mit unseren vietnamesischen Partnern und Vertretern unserer Unterstützungsgruppen aus Japan, Frankreich und den USA haben wir für das Dorf der Freundschaft weiter geplant.

Unser 9. internationales Treffen begann mit einem Rundgang durch das Dorf. Wir waren sehr beeindruckt davon, wie viel sich seit dem letzten Besuch verändert hat. Das neu erbaute Haus für schwerbehinderte Kinder ist eingerichtet und bezogen. Vier neue Hausmütter wurden dafür angestellt. Wir möchten uns an dieser Stelle für die Unterstützung durch das Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg, die La-Loba- Stiftung und unseren Spenderinnen und Spendern bedanken, die den Bau dieses Hauses ermöglicht haben.

In der Bildmitte das neue Haus für schwerbehinderte Kinder
In der Bildmitte das neue Haus für schwerbehinderte Kinder
In der Schneiderwerkstatt
In der Schneiderwerkstatt
In der Schneiderwerkstatt

Ebenso fertig gestellt ist das Kulturhaus, das einen großen Versammlungsraum im Erdgeschoss hat. So konnten wir zum ersten Mal unsere internationale Tagung im Dorf selbst abhalten. Im Obergeschoss dieses Hauses ist eine Schneiderwerkstatt eingerichtet, in der sowohl Jugendliche aus dem Dorf, als auch Auszubildende von außerhalb arbeiten. Hergestellt werden Hemden und Jacken für den Eigenbedarf und zum Verkauf, um damit zu den laufenden Kosten des Dorfes beizutragen. Die Qualität der hergestellten Kleidung hat uns begeistert.

Neu ist auch eine Klasse für Stickarbeiten. Die schon seit einiger Zeit bestehende Klasse für die Herstellung von Papierblumen hat ihre Fertigkeiten so weit gesteigert, dass die Blumen kaum noch von echten zu unterscheiden sind.

Mit großem Eifer am Stickrahmen
Mit großem Eifer am Stickrahmen
vfvp
Krankengymnastische Übungsbehandlung
Krankengymnastische Übungsbehandlung

Seit kurzem arbeitet zusätzlich zum bisherigen Arzt eine junge Ärztin im Dorf, die auf die traditionelle Herstellung von pflanzlichen Heilmitteln und sowohl auf klassische als auch auf Elektroakupunktur spezialisiert ist.

Ellen, eine dänische Ergotherapeutin, und eine weitere ehrenamtliche Helferin, arbeiten seit dem Frühjahr mit den Kindern und entwickeln gemeinsam mit den Hausmüttern individuelle Förderprogramme. Erste Erfolge dieser Arbeit konnten wir mit eigenen Augen sehen.

Zum Zeitpunkt unseres Besuchs gibt es 20 Schweine und 200 Hühner im Dorf. Zum Teil dienen die Tiere der Ernährung der Dorfbewohner, zum Teil werden sie verkauft. Bebrütete Eier lassen sich auf den Märkten besonders gut verkaufen.

Die dorfeigene Biogasanlage, mit der auch unser Mittagessen gekocht wurde, liefert fünf Stunden Gas pro Tag. Zum Essen gab es auch Bananen und Pomelos aus eigenem Anbau.

Am Anfang unserer Tagung legte Herr Vu Xuan Vinh den Arbeitsbericht der letzten zwei Jahre vor und Herr Hung, der Direktor des Dorfes, erläuterte den detaillierten Finanzbericht. Zum ersten Mal in unserer Geschichte haben wir zu Beginn eines neuen Finanzierungsabschnitts einen Plusbetrag, der unser Start zu den jährlichen 75.000$ unseres Beitrags zu den laufenden Kosten ist.

Die dem internationalen Komitee danach vorgetragenen Vorschläge unserer vietnamesischen Partner zur weiteren Arbeit im Dorf waren wohl durchdacht und sind eine gute Weiterentwicklung des Bestehenden.

Angestrebt werden:

  • Errichtung eines Verwaltungsgebäudes, damit das im Moment dafür genutzte Haus als Wohnhaus für Kinder dienen kann (ca. 40.000 $ ).
  • Bau eines weiteren Kinderwohnhauses (ca. 50.000 $ ).
  • Erweiterung der Basisgesundheitsstation (ca. 60.000 $ ).
  • Errichtung eines kleinen Ladens, in dem Produkte aus dem Dorf an Besucher verkauft werden und Informationen weitergegeben werden können. Für Jugendliche des Dorfs kann dies eine Möglichkeit sein, Fähigkeiten zu erproben und Neues dazu zu lernen.
  • Langfristig in Zusammenarbeit mit einheimischen Firmen ein Berufsbildungsprojekt, das sowohl Jugendlichen aus dem Dorf als auch Jugendlichen aus armen Familien von außerhalb eine Ausbildungsmöglichkeit bietet. Erste Kontakte dazu sind bereits hergestellt.
  • Intensivierung der sonderpädagogischen Arbeit mit den Kindern, so dass für die Kinder in der Zeit, die sie im Dorf der Freundschaft verbringen, die qualitativ bestmögliche Förderung erreicht wird. Wir hatten sowohl in Deutschland als auch in Vietnam Kontakte zum Deutschen Entwicklungsdienst, der erste Gespräche mit unseren Partnern geführt hat und grundsätzlich bereit ist, uns bei der Bewältigung dieser Aufgabe zu unterstützen.
vfvp

Wir freuen uns sehr, dass nach dem Modell des Dorfs der Freundschaft in Zentralvietnam (mit Unterstützung südkoreanischer Veteranen) und im Süden des Landes (unterstützt durch den Vietnam Veterans Memorial Fund aus den USA) zwei weitere Dörfer entstehen sollen .

Wir hatten während unserer Tagung Gelegenheit, Vorträge von Professor Hoang Dinh Cau, dem früheren Vize-Gesundheitsminister, und Professor Nguyen Trong Nhan, dem früheren Gesundheitsminister und Präsident des nationalen Roten Kreuzes, zum Thema der Spätfolgen der Entlaubungsgifte zu hören. Dabei wurde uns deutlich, dass das Ausmaß körperlicher und geistiger Schädigungen als Spätfolge des Gifteinsatzes weiter zunimmt. Auch anhand verschiedener Stammbäume zeigte Professor Cau, dass immer mehr geschädigte Kinder der 3. Generation geboren werden. Insgesamt gibt es etwa eine Million durch Agent Orange kranke oder behinderte Menschen in Vietnam. Es ist deutlich, dass Vietnam dieses Problem ohne Hilfe nicht bewältigen kann. Ein „Appell an die internationale Gemeinschaft zur Hilfe bei der Bewältigung der Schäden durch Agent Orange” wurde von unserer Gruppe einstimmig angenommen und unterschrieben.

Die hohe Wertschätzung unserer Arbeit wurde uns deutlich durch einen Empfang beim Vize-Premierminister Pham Gia Khiem, der vom vietnamesischen Fernsehen in den Nachrichten übertragen wurde. Der VizePremierminister sprach unserer internationalen Gruppe den Dank für unsere Arbeit aus und sicherte uns auch für die Zukunft die Unterstützung der vietnamesischen Regierung zu.

 


 

Ein neues Kind im Dorf

Nam, hier links im Bild, mit seinen gesunden Geschwistern und seiner Großmutter
Nam, hier links im Bild, mit seinen gesunden Geschwistern und seiner Großmutter
Nam kann sich erstmals selbständig fortbewegen
Nam kann sich erstmals selbständig fortbewegen

Nam, ein fünfjähriger Junge, der ohne Beine geboren wurde, soll im Dorf aufgenommen werden. Wir besuchen die Familie zu Hause, in einem kleinen Dorf, zusammen mit Direktor Hung. Großeltern, Eltern und drei Kinder leben gemeinsam in einem Raum. Eine Kuh und ein paar Hühner befinden sich im Hof. Beide Großeltern waren während des Krieges Entlaubungsgiften ausgesetzt, der Sohn wurde mit einem missgebildeten Fuß geboren, und dessen Sohn wiederum ohne Beine. Zwei weitere Kinder sind gesund. Nams hellwacher, kritischer Blick macht uns mehr als deutlich, dass er seine eigene Situation sehr bewusst wahrnimmt. Die Eltern erhoffen sich von Nams Aufenthalt im Dorf mehr Möglichkeiten für ihr Kind. Zwei Tage später im Dorf der Freundschaft: Wir setzen Nam in einen neuen gespendeten Kinderrollstuhl, den wir aus Deutschland mitgebracht haben. Nach einigen erklärenden Gesten hat er schnell begriffen, wie er sich damit selbständig fortbewegen kann. Von da an sehen wir ihn – strahlend und konstant in Fahrt – das Dorf erkunden.

 


 

Shoppen für das Dorf

Auf der Suche nach vietnamesischen Spiel- und Lernmaterialien hatten wir von einer deutschen Entwicklungshelferin die Adresse eines Ladens in Hanoi bekommen und waren beeindruckt von den schön gearbeiteten und gut durchdachten Holzspielsachen, Puzzles und Vorschulmaterialien. Wir kauften begeistert ein und hätten sicher anschließend vollbepackt auf dem Cyclo mit jeder vietnamesischen Marktfrau konkurrieren können. Die Freude im Dorf der Freundschaft über all das neue, abwechslungsreiche Lernmaterial war groß!

Genauso groß war unsere Freude darüber, wie positiv sich die Dinge im Dorf entwickeln. Vor ein paar Jahren hat das noch keiner von uns zu hoffen gewagt!

Rosemarie Höhn-Mizo

Brigitte Müller



Vietnam: A destination of the new millennium

Mit diesem Spruch werden Touristen am Flughafen in Hanoi begrüßt. So auch unser einer – auch wenn wir von den vietnamesischen Partnern als Staatsgäste behandelt worden sind. Überall im Land stößt man immer wieder auf die Aussage, dass Vietnam eines der neuen Reiseziele dieses Jahrtausends ist. Die Reise anlässlich des 9. Internationalen Treffens für das Dorf der Freundschaft war, nach fast 10 Jahren Kontakt und Engagement mit der Idee des Dorfs und deren Umsetzung, nun der Anlass, in dieses südostasiatische Land zu fliegen. Mit Anfang 40 sind die Ersterlebnisse im Leben nicht mehr so ganz alltäglich, aber hier gab es sie in mehrerer Hinsicht:

Asien, Vietnam und das Dorf der Freundschaft mit den Vertreter/innen der verschiedenen Länder.

So sitze ich nun zum Ende der Reise mit Stift und Notizblock in der Halong-Bucht (bzw. wieder zuhause am PC), um ein paar dieser Erst-Eindrücke niederzuschreiben.

Als Bildungsbürger habe ich mich – damit der „Kulturschock Vietnam“ sich im Rahmen hält – (natürlich) lesend auf die Reise vorbereitet. Aber wie das so ist, man ist letztendlich auf die kulturellen „Kleinigkeiten” nicht vorbereitet. Sie werden erst vor Ort erlebt. Wer in den letzten Jahren mal in Hanoi gewesen ist, der kann beispielsweise nachvollziehen, was es heißt, zwischen hunderten von knatternden und hupenden „motorbikes” als Fußgänger die Strasse zu überqueren – während die Asiaten gelassen(?) am (oder besser im) Straßenrand sitzen und essen. Mittels der Technik können wir uns zwar in einigen Stunden nach Vietnam begeben, aber in gewisser Weise empfand ich es wie die Landung auf einem anderen Planeten (wenn Vietnam ein anderer Planet wäre, würde ich ihn aufgrund der unendlichen Wälder und Reisfelder als den „grünen Planeten” bezeichnen). Zwar leben die Menschen in Vietnam auch dadurch, dass sie atmen und essen, aber das „wie” ist eben ein völlig anderes. Herbert Rosendorfers „Briefe aus der chinesischen Vergangenheit” sind mir dazu eingefallen und dass es gar nicht mal der Zeitreise eines Mandarins bedarf, sondern alleine schon der Ortswechsel ausreicht. „Selbstkritisch” drängt sich demzufolge die Frage nach den hiesigen kulturellen Ausformungen auf. Dies fand ich dann auch in meiner Reiseliteratur bestätigt: Viet Nam ist als asiatisches Land mystisch, undurchsichtig, wunderbar. Viet Nam ist aufregend und anregend, kann aber auch sehr anstrengend sein und an den Nerven zehren. Wer genau hinsieht, beobachtet und zuhört, wird zum Nachdenken eingeladen, darüber, wie wir leben, was uns wichtig ist und was wir tun oder ändern sollten.

Es galt also die „europäische Brille” abzunehmen. So musste der unwissende Mitteleuropäer in mir z.B. zunächst auch lernen, dass in Vietnam die Häuser größtenteils nur an der vorderen Hausfassade gestrichen werden. Egal ob aus Geld- oder Farbmangel (oder beidem) bzw. kultureller Gepflogenheit (Bambushütten, die auch noch zu sehen sind, streicht man bekanntermaßen ja gar nicht). Demnach war der Eindruck, dass die Häuser im Dorf der Freundschaft in einem sehr guten Zustand sind (auch wenn der Mitteleuropäer in mir Bedarf nach ein paar Eimern Farbe verspürt hat).

Rainer Hub

Kommt man aus der Hektik Hanois in das Dorf, so gelangt man in eine Oase der Ruhe – und für mein Empfinden auch für die hier lebenden Kinder in eine Oase der Zufriedenheit. Dass Menschen, die in der Hektik Hanois leben, unzufrieden sind, glaube ich nicht, aber die Kinder im Dorf fühlen sich hier sehr wohl. Dazu trägt Herr Hung, der Leiter des Dorfs, sehr bei. Die Kinder mögen und achten ihn – manch europäischer Pädagoge könnte neidisch werden, wie seinen Anweisungen unmittelbar Folge geleistet wird, ohne dass man den Eindruck bekommt, er agiere „autoritär”. Er ist ein Mann, der im Rahmen der Konferenz nicht in der ersten Reihe sitzt, aber im Alltag des Dorfes in der ersten Reihe steht und dessen Seele ist.

In Bezug auf die Konferenz empfand ich es als gleichermaßen beachtlich und schwierig, wie wir zwischen vietnamesischer, englischer, französischer und japanischer Sprache hin- und her gesprungen sind. Selbst oft mit der eigenen Schwierigkeit konfrontiert, die Details wieder mal nicht richtig verstanden zu haben, überlegte und vermutete ich, dass es den jeweils anderen Seiten auch nicht leichter gefallen ist und beim Dolmetschen wird das eine oder andere Wort qua „Flüsterpost” auf der Strecke geblieben sein. Aber in den Konferenzpausen draußen auf dem Hof sah ich die Häuser und spielenden Kinder und dachte: Irgendwie funktioniert es, sonst hätte das alles gar nicht entstehen und wachsen können.

Hier im Dorf ist mir dann auch der Spruch vom Flughafen wieder in den Kopf gekommen und nach einem Nachschlagen im Wörterbuch, dass „destination” auch „Bestimmungsort” bedeutet, empfand ich (in leicht abgewandelter Form): „The village of friendship – a destination for a better life”.

Rainer Hub


Termine

  • ARTE-Dokumentation über das Dorf der Freundschaft am 11.Dezember, 20:15 Uhr. Für genauen Sendetermin bitte Programmhinweise beachten.
    Filmaufnahmen
  • 23.2.2003, 11:15 Uhr, Stadtkirche Besigheim: Matinee „Musik nach Flötenart”. Flötengruppen aus Weil der Stadt und Besigheim.