Die sprechbehinderte Oanh zeichnet gern. Ihre Bilder zeigen immer strahlende junge Frauen. |
72 Millionen Liter überwiegend dioxinhaltige Entlaubungsmittel haben die Amerikaner während des Vietnamkriegs versprüht. (Klicken Sie hier für weitere Infos!) Eine Million Menschen haben die Herbizide krank gemacht, schätzt Professor Hoang Dinh Cau; er leitet ein wissenschaftliches Komitee, das die Folgen der Entlaubungsaktionen untersuchen soll. 100000 Kinder seien behindert zur Welt gekommen. Und das Gift hat noch nicht aufgehört zu wirken. Was wird sein, wenn Oanhs zwei gesunde, ältere Schwestern Kinder bekommen?
Der Professor breitet einen Stoß Stammbäume aus. Weiße Kästchen stehen für gesunde Kinder, schwarze für missgebildete, Kreuze für Totgeburten. Vier oder fünf schwarze Kästchen in einer Reihe sind keine Seltenheit. Manche Stammbäume bestehen aus weißen Zeichen, erst in der untersten Reihe tauchen schwarze Kästchen auf. Es sind die Enkel, Kinder von Eltern, die selbst nie mit Agent Orange in Berührung gekommen sind. Die Angehörigen der Nachkriegsgeneration kommen jetzt in das Alter, eine Familie zu gründen. "Wir können noch keine Prognose abgeben", sagt Professor Cau, "aber möglicherweise steht eine weitere Welle von Missbildungen bevor"
Hilfe gibt es für die betroffenen Familien kaum. Vietnam hat kein Geld. Neben dem Dorf der Freundschaft, das dem vietnamesischen Veteranenverband untersteht, existieren sechs ähnliche Einrichtungen der Organisation "Friedensdorf International". Zusammen bieten diese Reha-Dörfer Platz für wenige Hundert Kinder. wenige Hundert von Hunderttausend. "Wir nehmen nur leichtere Fälle auf", sagt Direktor Hung, "Kinder, bei denen wir etwas ausrichten können."
Leichtere Fälle wie die l7-jährige Hai, die aussieht wie zwölf. Als sie neu im Dorf war, riss sie sich immer wieder die Kleider vom Leib und die Haare aus, bis die Kopfhaut blutete. Inzwischen hat sie Zutrauen gefasst. Streichelt Besuchern mit kindlichem Lächeln über den Arm. Oder Dat, 6 Jahre alt, mit Füßen, die verdreht im Gelenk angewachsen scheinen: Phokomelie nennen Mediziner diese Missbildung, Seehund-Füße. Oder Luu, die 15-Jährige mit den verrutschten Gesichtszügen. Direktor Hung nimmt ihr Haar beiseite. Wo das Ohr sein sollte, wächst bloß ein Hautfetzen, an dem ein Ohrring hängt. "Sie hört kaum etwas", sagt Hung.
Zu jedem Kind hat der Direktor die Familiengeschichte parat und Zahlen: Was es wog, als es in das Dorf kam, und wie viel es seither zugelegt hat. Bei ihrer Ankunft sind fast alle Kinder unterernährt. Hung weist auf den neuen Fischteich hin und die Büschel junger Bananen im Garten. Das Dorf ist gehalten, sich so weit wie möglich selbst zu versorgen. Im Kräuterbeet zupft Hung ein paar Blätter ab. "Süßkraut", sagt er, "ein Stärkungsmittel. hilft auch gegen Diabetes." Neben westlichen Medikamenten wenden die beiden Ärzte des Dorfes traditionelle asiatische Medizin und Akupunktur an.