Das Dorf der Freundschaft ist ein internationales Versöhnungsprojekt. Es wurde durch den ehemaligen US-Soldaten George Mizo initiiert. Es bietet Menschen, die unter den Spätfolgen des Vietnamkrieges leiden – geistig und körperlich behinderten Kindern und Jugendlichen sowie Älteren – Hilfe und Unterstützung.


Heute lebt Mizo in der Nähe von Stuttgart, seine deutsche Frau hat er auf einem Friedensmarsch im Wendland kennen gelernt. Nachts durchschlafen kann er noch immer nicht. Was ihm an Energie bleibt, steckt er in sein Projekt, das Dorf der Freundschaft. Schon als er damals ausgeflogen wurde, sagt Mizo, habe er gewusst, dass er nach Vietnam zur�ckkehren w�rde, irgendwann, irgendwie.
Einige Jahre, nachdem George Mizo in der stark mit Agent Orange besprühten Militärregion I verwundet wurde, hat auch Nguyen Thi Lien dort gekämpft. Freiwillig war sie mit 18 in den Krieg gezogen. "Mein Liebster hatte sich zur Armee gemeldet", sagt sie, "also habe ich es auch getan." Von Agent Orange wusste Frau Lien damals nichts, erst viel später sollte sie davon erfahren, aus dem Fernsehen. 1981 brachte sie ihr erstes Kind zur Welt, den Sohn, der erst mit sieben laufen und sprechen lernte. 1983 kam das deformierte Baby, das nicht am Leben blieb. Du musst einen Liebhaber bei der Armee gehabt haben, sagte die Schwiegermutter, warum sonst sollten die Götter uns so strafen?
Frau Lien und ihr Mann waren entschlossen, die Gerüchte im Dorf zum Schweigen zu bringen. Zu ihrer Ermutigung schien das dritte Kind einigermaßen gesund: "Wäre es auch missgebildet gewesen, hätten wir Gift genommen."
Sie gebar noch zwei Söhne und eine Tochter, die normal aussehen, aber kränkeln. Sehr blass sind die Kinder und leiden ständig unter Kopfschmerzen, wie ihre Mutter. Sie sei sehr stolz, dass sie sich im Dorf der Freundschaft erholen dürfe, sagt Frau Lien. Nicht nur weil sie die einzige Frau unter den Veteranen dort ist. Sondern, weil sie nun die Bestätigung hat, dass mit ihrem Körper etwas nicht stimmt. Und dass es nicht ihre Schuld ist.
Anders als Frau Lien, die nicht weiß, wann sie oder ihr Mann mit dem Herbizid in Berührung gekommen sind, kann sich Ngo Van Nang gut an die Entlaubungsaktionen erinnern. Fünfmal ist er besprüht worden. Wie Tausende von Nadelstichen habe sich das Pflanzengift auf der Haut angefühlt, sagt er, nachher seien sie alle ganz benommen gewesen. Die Bäume starben binnen weniger Stunden, geweint hätten sie bei diesem Anblick. Es tut Herrn Nang gut, von seinen Kriegserlebnissen zu erzählen. Die Augen in dem eingefallenen Gesicht glänzen. Einmal wurde er bei einem Bombenangriff in einem Vietcong-Tunnel verschüttet und erstickte beinahe. Eine schwierige Zeit, sagt er, aber was danach kam, sei schlimmer gewesen. Danach kamen die beiden Totgeburten und ein Leben ohne Kinder, ein grosses Missgeschick im familienorientierten Vietnam. Auch die eitrigen Ausschläge kamen danach, die Kopfschmerzen und die Schwäche, die es ihm unmöglich machte, das Gemüse, das er pflanzte, auf den Markt zu tragen. "Ich bin ausgetrocknet, wie Dörrobst", sagt Herr Nang. Die Ärzte geben ihm Spritzen.
Nach drei Monaten muss er heimkehren, und auch Frau Lien muss zurück in ihr Fischerdorf zu ihren kranken Kindern. Der Platz im Dorf der Freundschaft ist begrenzt, und das Privileg eines Aufenthalts dort soll möglichst vielen Kranken zuteil werden. Auch die Kinder dürfen nur zwei bis drei Jahre bleiben. "Ich wage nicht, an die Zukunft zu denken", sagt Oanh. Welchen Beruf sie, die ausgezeichnete Schülerin, lernen möchte? "Für mich hat es keinen Sinn zu träumen", antwortet sie fast heftig und versucht, in einem unbeobachteten Moment die Tränen wegzuwischen.
Wenn Oanh nicht lernt, zeichnet sie. Ihre Bleistiftskizzen hängen in dem Zimmer, das sie mit zwei anderen Mädchen teilt. Sonst gibt es wenig Persönliches in den Zimmern, die nüchtern ausgestattet sind mit Stahlrohrbetten und Kachelfussböden. Oanhs Zeichnungen zeigen allesamt junge, strahlende Frauen mit langem Haar. Oanh strahlt jetzt auch, weil der Fotograf kommt und Bilder macht von ihr und ihren Werken. Die anderen Mädchen knuffen sie in die Seite. Oanh strahlt noch mehr.
Direktor Hung hofft, dass er der begabten Oanh zu einem Stipendium verhelfen kann. Was aus den anderen Kindern werden soll? Nur ein Teil von ihnen wird je in der Lage sein. Für sich selbst zu sorgen. Zwei Kinder besuchen seit kurzem eine Textilfachschule. Eigentlich hätte das Freundschaftsdorf eigene Lehrwerkstätten bekommen sollen. Sie sind nie gebaut worden, auch nicht das Gemeindehaus und die weiteren Wohngebäude, die ursprünglich geplant waren. Das Geld hat nicht gereicht. Auf dem brachliegenden Teil des Grundstücks will Direktor Hung nun 500 Obstbäume pflanzen.