Selbst vom Krieg gezeichnet, setzt sich Ex-Sergeant George Mizo für die Opfer in Vietnam ein. |
Besucher empfängt Direktor Hung unter dem Bild Ho Chi Minhs. Milde lächelt Onkel Ho, der selbst nie Kinder hatte, und hält ein kleines Mädchen im Arm. Über ihm hängt die vietnamesische Flagge. "Seit mehr als 50 Jahren bin ich ein Mann der Revolution", sagt Hung. Seine militärische Laufbahn begann mit zwölf, als Botenjunge. Später brachte er es bis zum Major, in 30 Jahren Krieg gegen Franzosen, Amerikaner, die südvietnamesische Armee. Es folgte eine Karriere als Kader: in der Partei, wo er einem Komitee angehörte, das die Gesinnungstreue der Mitglieder zu prüfen hatte, im Arbeitsministerium, im Veteranenverband. Seit Gründung des Freundschaftsdorfs im Jahr 1997 ist der heute 65-Jährige dort Direktor. "Ich habe im Krieg mehr Glück gehabt als andere", sagt er "diesen anderen möchte ich jetzt helfen."
George Mizo war der erste Amerikaner, dem Hung nach dem Krieg begegnete. Der ehemalige Sergeant gehörte einem amerikanischen Veteranenverband an und hatte die Idee, ein Dorf für Kriegswaisen zu gründen. Die vietnamesische Regierung stellte ein Stück Land bereit, den Rest finanzierten Veteranenverbände aus den Ländern, die einst in Vietnam Krieg geführt haben: Japan, Frankreich, Amerika. Wie es war, mit den ehemaligen Feinden zusammenzuarbeiten? Kein großes Problem, sagt Hung: "Die amerikanischen Soldaten waren ja selbst Opfer." Nicht einmal mit den Franzosen habe er sich schwer getan, sagt er, obwohl die ihm seinerzeit Vater und Schwiegervater verschleppt haben und die Familie bis heute ohne Nachricht von ihnen blieb.
"Die ersten Begegnungen waren schwierig", sagt hingegen George Mizo. Er gehört zu denen, die weniger Glück im Krieg hatten als Direktor Nung. "Theoretisch betrachtet", sagt Mizo, "bin ich zu 300 Prozent schwer behindert." 100 Prozent wegen seiner Herzkrankheit. Weitere 100 Prozent wegen seiner Kriegsverletzung und dem Posttraumatischen Stress-Syndrom. Noch einmal 100 Prozent, weil Agent Orange sein lmmunsystem ruiniert hat.
Mizo hatte sich freiwillig nach Vietnam gemeldet, die mitreißenden Reden John F. Kennedys im Hinterkopf: " Frag nicht, was dein Vaterland für dich tun kann." Wie viele glaubte der damals 21-Jährige, den unterdrückten Vietnamesen zur Hilfe zu kommen, und fand sich schließlich auf Schlachtfeldern wieder, wo er Leichen in schwarzen Vietcong-Pyjamas zählte, Leichen, deren Gesichter er aus den Dörfern der Umgebung kannte. Es waren die Dörfer, die er vor der Guerilla schützen sollte. "Mir ging es bald nur noch darum, meine Männer lebend da durchzubringen", sagt Mizo. Sein Trupp gehörte zur schweren Artillerie und stieß nach Norden vor, häufig in Gebiete, deren Pflanzenwuchs mit Agent Orange zerstört worden war. Ende Januar 1968 wurde Mizo bei Que Son von den Trümmern einer chinesischen Rakete getroffen und nach 13 Monaten Vietnam schwer verletzt ausgeflogen. Kurz danach brach die Tet-Offensive los. Alle seine Männer kamen um.
Auch später hatte George Mizo weniger Glück als sein einstiger Feind und heutiger Partner Nguyen Khai Hung. Kaum genesen, organisierte Mizo eine Protestkundgebung auf einer Militärbasis und saß fast zwei Jahre lang im Gefängnis. Wurde unehrenhaft aus der Armee entlassen. Verbrachte eine Weile in einem französischen Kloster. Versuchte zu vergessen. Schließlich wurde er Vizepräsident der Organisation "Veteranen für den Frieden" und strengte mit anderen Agent-Orange-Opfern eine Klage gegen die Chemiekonzerne an, die das Herbizid produziert hatten. Der Rechtsstreit endete 1984 mit einem außergerichtlichen Vergleich: Die sieben Hersteller, unter denen Dow Chemical und Monsanto die Hauptlieferanten waren, kauften sich mit 180 Millionen Dollar frei. Ihre Bedingung war, die Akten für alle Zeiten zu schließen. Mizo erhielt 5000 Dollar Entschädigung.